Der Einfluss der Weizengenetik auf die Entwicklung einer Zöliakie
Der Einfluss der Weizengenetik auf die Entwicklung einer Zöliakie
(The influence of wheat genetics on the development of celiac disease)
Kathrin Kornek (2017)
In den letzten Jahrzehnten hat die Anzahl an Zöliakie-Erkrankungen stark zugenommen (Van den Broeck et al. 2010, Molberg et al. 2005). Als Auslöser werden zum einen das wachsende Wissen über die Krankheit und eine bessere Diagnosemöglichkeit und zum anderen der gestiegene Weizen- und Glutenkonsum diskutiert. Neben diesen Aspekten wird die Genetik des Weizens ebenfalls als eine Ursache in Erwägung gezogen (Van den Broeck et al. 2010). Zur Verbesserung der Bedingungen, wie zum Beispiel Ertragssteigerung, Vergrößerung der Getreidekörner und der allgemeinen besseren Krankheitsresistenz, wurde das Getreide seit Jahrhunderten domestiziert (Kasarda, 2013).
Im Laufe dieser Weizenzüchtung entstand aus dem diploiden Einkorn Triticum monococcum, welcher nur das A Genom besitzt, der hexaploide Weizen Triticum aestivum, welcher die drei Genome A, B und D enthält (Kasarda, 2013). Es wird angenommen, dass genau diese Veränderung der Genetik des Weizens zu der steigenden Prävalenz für Zöliakie geführt hat. Damit die Krankheit überhaupt erst bei einem Menschen ausgelöst wird, muss dieser eine genetische Disposition für Zöliakie besitzen. Inwiefern sich die Krankheit dann entwickelt, wird stark von dem Genom des Weizens beeinflusst (Molberg et al., 2005). Studien zeigen, dass besonders auf das α – Gliadin mit einer vermehrten Produktion von Antikörpern reagiert wird (Molberg et al., 2005).
Des Weiteren sind das nicht-verdaubare Restprotein „33mer“ und andere ähnliche Sequenzen für die Stimulierung der T-Zellen und der darauffolgenden Bildung von Antikörpern verantwortlich. In diesem Zusammenhang wird auch dem immundominanten Glia-α9 Epitop, welches Teil der 33mer-Sequenz ist, eine starke Bedeutung zugesprochen (Van den Broeck et al. 2010). Molberg et al. (2005) fanden heraus, dass das 33mer-Fragment und andere entsprechende Fragmente besonders von den α – Gliadin-Genen des 6D – Chromosoms des Weizens kodiert werden. Somit enthält das D-Genom mehr aktive Epitope als das A und B- Genom, sodass dieses für Zöliakie Patienten unverträglicher ist (Molberg et al., 2005; Kasarda, 2013). Van Herpen et al. (2006) untersuchten ebenfalls das Vorkommen von aktiven Epitopen auf den verschiedenen Genomen. Auch sie diagnostizierten auf dem D-Genom die meisten T-Zellen stimulierenden Epitope, aber auch auf dem A-Genom konnten sie welche feststellen.
Die Ergebnisse der verschiedenen Studien führen zu dem Schluss, dass vor allem das D-Genom für die Toxizität von Weizen bei Zöliakie Patienten verantwortlich ist. Im Umkehrschluss stellte sich die Frage, ob alte Weizensorten, welche das D-Genom nicht besitzen, weniger Zöliakie-auslösende Epitope aufweisen. Van den Broeck et al. (2010) und Gregorini et al. (2009) befassten sich ebenfalls mit dieser Frage und untersuchen die Epitope alter und neuer Sorten. Die Gruppe von Van den Broeck (2010) kam zu dem Ergebnis, dass moderne Sorten vermehrt das Glia-α9 Epitop aufwiesen, es in alten Landsorten aber eben falls vertreten ist. Auf der anderen Seite fanden sie dennoch auch moderne und alte Sorten, welche nur sehr wenig Epitope beinhalten. Gregorini et al. (2010) fanden bei den untersuchten alten Sorten ebenfalls Zöliakie-auslösende Sequenzen. Dies führt zu der Annahme, dass die Toxizität eines Getreides stark von der Sorte abhängig ist (Gregorini et al.2010). Dennoch können die Ergebnisse als Ausgangslage für die Züchtung von weniger Zöliakieauslösenden Sorten genutzt werden, um in Zukunft besser verträgliche Getreidesorten anzubauen.
References:
Gregorini, Armando; Colomba, Mariastella; Ellis, Julia; Ciclitira Paul J. (2009): Immunogenicity Characterization of Two Ancient Wheat α-Gliadin Peptides Related to Coeliac Disease. In: Nutrients 2009, 1, S. 276-290. DOI:10.3390/nu1020276
Kasarda, Donald D. (2013): Can an increase in celiac disease be attributed to an increase in the gluten content of wheat as a consequence of wheat breeding? In: Journal of agricultural and food chemistry 61 (6), S. 1155–1159. DOI: 10.1021/jf305122s.
Molberg, Øyvind; Uhlen, Anne Kjersti; Jensen, Tore; Flæte, Nina Solheim; Fleckenstein, Burkhard; Arentz–Hansen, Helene et al. (2005): Mapping of gluten T-cell epitopes in the bread wheat ancestors. Implications for celiac disease. In: Gastroenterology 128 (2), S. 393–401. DOI: 10.1053/j.gastro.2004.11.003.
Van den Broeck, Hetty C.; De Jong, Hein C.; Salentijn Elma M. J.; Dekking, Liesbeth; Bosch, Dirk; Hamer, Rob J.; Gilissen, Ludovicus J. W. J.; Van der Meer, Ingrid M.; Smulders, Marinus J. M. (2010): Presence of celiac disease epitopes in modern and old hexaploidy wheat varieties: wheat breeding may have contributed to increased prevalence of celiac disease. In: Theor Appl Genet (2010) 121, S. 1527–1539. DOI 10.1007/s00122-010-1408-4
Van Herpen, Teun WJM; Goryunova, Svetlana V; Van der Schoot, Johanna; Mitreva, Makedonka; Salentijn, Elma; Vorst, Oscar; Schenk, Martijn F; Van Veelen, Peter A; Koning, Frits; Van Soest, Loek JM; Vosman, Ben; Bosch, Dirk; Hamer, Rob J; Gilissen, Luud JWJ; Smulders, Marinus JM (2006): Alpha-gliadin genes from the A, B, and D genomes of wheat contain different sets of celiac disease epitopes. In: BMC Genomics 2006, 7:1. DOI:10.1186/1471-2164-7-1